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Unser Leben im Tiny House: Zwei Jahre später

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- Sibylle & Michi
Am 17. September 2022 sind wir offiziell in unser Tiny House KOKOMO eingezogen. Nach 2.5 Wintern und zwei Sommern können wir sagen, dass wir keine Neulinge mehr sind und nun mit einem realistischen Blick auf die letzten zwei Jahre zurückblicken. In diesem Beitrag möchten wir ehrlich über unsere ersten zwei Jahre im Tiny House berichten.
Leben auf kleinem Raum
Wir leben auf 36m², oder 18m² pro Person. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Schweizer Bürger bewohnt 46m². Unser Haus steht auf einem 250m² grossen gemieteten Grundstück. Für unseren Wohnwagon, haben wir CHF 220'000.00 bezahlt. Das entspricht CHF 6'100.00 pro Quadratmeter Wohnfläche. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 kostete ein Quadratmeter Wohnfläche für ein neues Einfamilienhaus etwa CHF 2'500.00 - 4'000.00 (in der Schweiz), was bedeutet, dass wir gut und gerne das Dreifache bezahlt haben. Hinzu kommen noch Transport, Erschliessung und Vorbereitungsarbeiten, die zusammen etwa CHF 35'000.00 ausmachten, sowie Planungskosten von ca. CHF 10'000.00. Dazu kamen unzählige Stunden Eigenleistung für Planung, Baugesuch, Transport/Kran, Erschliessung usw. Und natürlich musste auch das Grundstück gefunden werden – ein Marathon, kein Sprint.
Trotz der hohen Kosten konnten wir einen Teil selbst finanzieren, benötigten aber auch Unterstützung von Familie und Freunden. Ohne diese Hilfe hätten wir unseren Traum nicht verwirklichen können.
Technische Ausstattung und Nachhaltigkeit
Natürlich gibt es im Vergleich zu einem herkömmlichen Einfamilienhaus einige Unterschiede in der Ausstattung. Auf unserem Dach haben wir eine Solaranlage installiert, mit der wir von Mitte Januar bis Mitte November stromautark leben. Mehr Details zu unserer Solaranlage findest du hier im Dashboard: https://dashboard.kokomo.ch. In den dunklen Wintermonaten brauchen wir teilweise die Hilfe unseres Nachbarn, der uns erlaubt, eine Steckdose auf seiner Terrasse zu nutzen, um den fehlenden Strom zu beziehen. Im September 2024 waren wir in diesem Jahr zu 97.21% stromautark. Wie du siehst, haben wir keinen Anschluss ans Gemeindestromnetz.
Im Sommer erwärmen wir unser Wasser mit dem Überschuss der Solaranlage, im Winter mit einem wassergeführten Stückholz-Ofen. Unser Wasserspeicher fasst 300 Liter, womit wir auch die Radiatoren im Haus beheizen. So bleibt es warm, selbst wenn der Ofen nicht brennt. Im Winter heizen wir einmal täglich, am liebsten abends, weil es so gemütlich ist.
Ebenfalls speziell ist, dass unsere Waschmaschine relativ wenig Strom verbraucht. Dies liegt hauptsächlich daran, dass wir das Heisswasser direkt aus dem Speicher in die Waschmaschine umleiten. Wenn wir also bei 40 Grad waschen, zieht die Maschine 40 Grad warmes Wasser aus dem Speicher, anstatt es selbst zu erhitzen. Eine tolle Sache und sehr stromsparend.
Im Gegensatz zu den meisten Haushalten besitzen wir weder einen Geschirrspüler noch ein TV-Gerät. Neben dem fehlenden Stromanschluss haben wir auch keinen TV-, Internet- oder Telefonanschluss. Wenn wir fernsehen, dann auf einem Notebook, und telefoniert wird mit dem Smartphone. Natürlich haben wir WLAN im Haus, das über eine mobile SIM-Karte und einen entsprechenden Router bereitgestellt wird. Dies benötigen wir, um jederzeit den Überblick über unsere Solaranlage zu behalten und, besonders im Winter, die Heizung und das Heisswasser zu steuern.
Das Holz für unseren Ofen holen wir bei unserer Verwandtschaft. Wir fräsen und spalten es selbst und zahlen dafür einen sehr moderaten Preis. Pro Winter verbrauchen wir etwa 1,5 Ster Holz.
Leben mit den Jahreszeiten
Im Sommer geniessen wir angenehme Temperaturen im Haus. Auch wenn es wie diesen Sommer mehrere Tage über 30 Grad heiss ist, bleibt es bei uns abends um 18:00 Uhr bei 26-27 Grad. Natürlich schliessen wir alle Fenster und ziehen die Plissees herunter. Nachts öffnen wir dann alles, und am Morgen haben wir wieder etwa 20 Grad im Haus. Ein Teil unseres Daches ist begrünt, der andere, mit Solarpanels, mit grossem Kies belegt. So können wir ohne Klimaanlage oder andere Hilfsmittel perfekt schlafen. Unsere Dämmung besteht aus bester Schafswolle von glücklichen Schafen (hoffe ich zumindest).
Alltag und Platzmanagement
Wir kochen und backen mit Gas. Pro Jahr verbrauchen wir etwa eine Gasflasche mit 10,5 Litern. Ja, richtig gelesen: pro Jahr, nicht pro Monat.
In der Dusche/WC haben wir eine Trockentrenntoilette. Damit sparen wir etwa 12 Liter Trinkwasser, die nicht in die Kanalisation gespült werden. Die Hinterlassenschaften kommen bei uns in den normalen Hausmüll. Natürlich wäre es auch möglich, sie zu kompostieren und später im Garten zu verwenden, was eigentlich sogar besser wäre.
Da wir wenig Platz für „Dinge" haben, befolgen wir eine Regel, die wir von Theresa May von Wohnwagon übernommen haben: Wenn etwas Neues hereinkommt, muss etwas Altes raus. Das funktioniert erstaunlich gut. So überlegt man immer, ob man etwas wirklich braucht und was dafür weichen muss. Ein einfaches Beispiel: Neue Schuhe rein, alte Schuhe raus.
Wir mussten uns bisher bei unseren Sachen nicht einschränken. Im Gegenteil: Unter dem Sofa und dem Bett haben wir in grosszügigen Schubladen noch viel Platz. Auch in der Küche sind einige Schränke leer. Würden wir noch besser einräumen, hätten wir sogar noch mehr Platz.
Raumaufteilung und Wohnkomfort
Unser Haus hat im Grunde drei Zimmer: den Wohnbereich mit Küche, das Büro, das auch als Ankleidezimmer dient, und den Schlafraum. Der Schlafraum ist mit knapp 4m² natürlich klein, aber man schläft trotzdem sehr gut. Wir würden ihn definitiv wieder abtrennen. Da ich meistens später ins Bett gehe und am Wochenende früher aufstehe, kommen wir uns nicht in die Quere und keiner muss sich anders verhalten als in einer Mietwohnung.
Auch zwischenmenschlich haben wir kein Problem, selbst mit wenig Wohnraum. Wir gehen uns nicht auf die Nerven, auch wenn es mal länger regnet. In diesem Bereich gibt es also nichts weiter zu berichten 😉
Freizeit und Aussenbereich
Sobald es warm genug ist, verbringen wir unsere freie Zeit draussen im Garten oder auf der Terrasse. Wir essen fast immer draussen, solange es nicht regnet, da der Weg zum Tisch draussen kaum länger ist als zum Tisch drinnen. So geniessen wir gemütliche Wochenenden und erholsame Abende vor dem Haus. Dank Hängematte und Liegestuhl ist es sehr bequem.
Es fühlt sich immer ein bisschen wie Ferien an. Nach Hause zu kommen ist anders als in einer Mietwohnung. Da wir viel Zeit im Freien verbringen, ist es, als wären wir mit dem Camper unterwegs – und das bringt ein kleines Feriengefühl mit sich. Herrlich.
Unser Garten
Unser Garten besteht aus drei Hochbeeten, einem kleinen Beet und natürlich einem Komposthaufen. Im zweiten Jahr konnten wir Kartoffeln, Zucchetti, Tomaten, Peperoni und Salat ernten. Im ersten Sommer wuchsen auf dem Kompost eine ganze Reihe Zierkürbisse. Leider sind die gesäten Sonnenblumen dieses Jahr nicht aufgegangen, und auch der Mais wächst zwar, aber ein Maislabyrinth wird daraus wohl nicht werden.
Fazit
Nach zwei Jahren im Tiny House KOKOMO können wir sagen, dass dieser Lebensstil nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine grosse Bereicherung ist. Trotz der hohen Anfangsinvestitionen und der intensiven Eigenleistung hat sich unser Traum von einem nachhaltigen und minimalistischen Leben auf kleinem Raum erfüllt. Die Kombination aus technischer Innovation, bewusster Ressourcennutzung und einem Leben im Einklang mit den Jahreszeiten hat uns gezeigt, wie erfüllend ein reduzierter Lebensstil sein kann.
Unser Tiny House bietet uns nicht nur ausreichend Platz, sondern auch ein Zuhause, das wir aktiv mitgestaltet haben. Es hat uns gelehrt, achtsamer mit Konsum, Energie und Natur umzugehen. Besonders der Aussenbereich mit Garten und Terrasse schenkt uns das Gefühl von Freiheit und Erholung, fast wie ein täglicher Kurzurlaub.
Rückblickend würden wir diesen Schritt jederzeit wieder gehen. Unser Tiny House ist für uns mehr als nur ein Wohnort – es ist ein Lebenskonzept, das zu uns passt und uns immer wieder mit Stolz und Zufriedenheit erfüllt.
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